Medien, und insbesondere Instagram, definieren Fotografie-Stile neu. Die Grenzen werden enger gezogen. Sichtbar ist nur was funktioniert! Ohne sich darüber im Klaren zu sein haben Fotografen und Künstler heute nicht mehr andere Künstler zum Mentor sondern Plattformen und Algorithmen. So gewinnt der Durchschnitt und das Außergewöhnliche geht unter. Warum der Algorithmus Gift für Fotografen ist, warum Instagram bestimmte Stile indirekt fördert, wie du Instagram trotzdem nutzen kannst und sogar gezielt für Instagram fotografierst erläuterte ich in diesem Artikel.
Wenn man wissen möchte was Streetphotography ist und man bei Instagram danach sucht, dann bekommt man schnell einen Eindruck. Zahlreiche Hashtags machen transparent, was unter Streetphotography getaggt wird. Und auf den Übersichtsseiten der Hashtags bekommt man sofort die “Top-Bilder” präsentiert.
“Was ist eigentlich Streetphotography?”
Demnach muss man fast zwangsläufig zu dem Schluß kommen, ein gutes Streetfoto ist Schwarz-Weiß, hat harte Kontraste und bildet Schattenspiele mit Silhouetten ab – oder StreetPortraits mit Charakterköpfen. Am Besten mit Kulissen einer westlichen Großstadt – NewYork, Berlin, London. Ah – und natürlich, mit Vignetten-Effekt.
Diese Bilder kommen verdammt gut auf dem Smartphone oder? Mir gefallen sie! Sie ziehen einfach den Blick an. Die Motive sind schnell zu erfassen, knallen einem regelrecht entgegen und haben oft auch eine wunderbare Ästhetik. Nur hat Streetphotography noch viel mehr zu bieten wenn man den Blick etwas schweifen lässt. Farben zum Beispiel, ganze Szenen und Storys, Layer, Interaktionen. Schlicht und einfach die grenzenlose Freiheit der fotografischen Stilmittel.
Wenn man das Genre wortwörtlich nimmt ist Streetfotografie doch nichts anders als “auf der Straße fotografieren”. Die “Straße” wird dann oft noch gedehnt zum “öffentlichen Raum”. Ein paar ungeschriebene Gesetzt sprechen noch von “ungestellten Aufnahmen”. Aber das war es dann auch schon. Und damit bietet sich ein so großes und weites Spielfeld, dass es sich zwangsläufig mit anderen Genres überschneiden muss. Reise-, Portrait-, Architektur- oder Dokumentar-Fotografie etwa.
Sean Tucker ist einer der Fotografen die den Stil mit harten Kontrasten und Schatten beherrscht und es in den sozialen Medien zu einer großen Zahl von Followern gebracht hat. In einem YouTube-Video sagt er dann aber sinngemäß, dass er sich nicht direkt als Streetfotograf bezeichnen würde. (https://www.youtube.com/watch?v=ZobEFL3YFUE – bei Minute 12)
So definiert Instagram deinen Stil:
Viele Fotografen reden davon “den eigenen Stil zu finden”. Das ist in einer Welt in der Massenmedien omnipräsent sind vielleicht so schwierig wie noch nie. Obwohl man heute so viele Inspirationsquellen wie nie zuvor hat, unterliegt man auch ungleich vielen Einflüssen und Stimmen. Und diese Stimmen sind oft unscheinbar und nicht immer sofort zu erkennen.
Die Algorithmen von Social-Networks sind solche Stimmen. Sie flüstern dir unentwegt ins Ohr “Schau dir das an! hier ist etwas das dir gefallen sollte! Dieses Bild hat viel mehr Likes als deines! Hör nicht auf! Bleib nicht stehen!” Und damit steuert Instagram deinen Stil. Nur, dass diese Algorithmen Gift sind wenn man sich weiterentwickeln will. Warum ist das so? – Weil sie dir immer mehr Gleichartiges zeigen.
Du bekommst was du willst – immer mehr gleiche Bilder
Je mehr Bilder eines Stils du auf Instagram ansiehst und likest umso mehr davon bekommst du zu sehen. Statt dich vielseitig zu inspirieren drängen die Vorschläge dich also immer weiter in eine Richtung. Es wird noch schlimmer: je mehr Leute auf die gleichen Bilder immer und immer wieder reagieren umso stärker werden genau diese Bilder promoted und anderen Usern präsentiert. Wenn du also die breite Masse mit deinen Bildern ansprichst hast du gute Chancen.
Das bedeutet je mehr du dich auf Instagram bewegst und reagierst, umso stärker wirst du in eine der berüchtigten Social-Media “Bubbles” gesaugt. Vielleicht hast du schon davon gehört im Kontext politischer Kommunikation und dem verbreiten von Fake-News. Aber hast du mal darüber nachgedacht was es für dich als Fotograf bedeuten könnte? – Keine Inspiration, ein immer enger werdender Horizont, falsche Orientierung und immer mehr Bilder die alle gleich aus sehen.
Die Jagd nach Likes fördert einen ganz bestimmten Bildstil
Es ist aber nicht nur der Algorithmus, auch unsere eigene Mediennutzung trägt dazu bei bestimmte Bildstile zu fördern und andere zu diskriminieren. An der Bushaltestelle, am Esstisch, unter der Schulbank, in der Badewanne und zu hunderten anderer Gelegenheiten wird Social-Media konsumiert. Nebenbei. Wie in Trance wird die Timeline durchgescrollt. Was bleibt dabei im Auge? – Bilder die einerseits möglichst auffällig und Gleichzeit einfach zu erfassen sind!
Bilder die ihre Schönheit und Botschaft erst auf den zweiten Blick offenbaren haben es bei dieser Art des Konsums deutlich schwerer. Denn weitergescrollt ist schnell. Erscheint es da nicht ganz logisch, dass sich bestimmte Bildtypen durchsetzen während andere auf der Strecke bleiben? Das perfekte Instagram-Bild: Ein Akzent, hoher Kontrast, knallige Farbe(n), auffällige Gesichter, auffällige Szenen. Dein Blick muss möglichst schnell und klar geleitet werden. Dein Hirn soll nur schnell und ohne Umwege den Reflex “wow” auslösen – den Daumen einmal doppelt tippen lassen – und weiter gehts.
So schießt du Bilder für Instagram.
Diesen Grundgedanken habe ich in der Picture-Idea-Canvas skizziert. Wenn du diese Vorlage ergänzt und insbesondere den linken Teil für dich ausfüllst, kannst du dir zahlreiche Wege erschließen wie du in deiner Umgebung und mit deinen Lieblingsmotiven auffällige Instagram-Bilder schießt.
Verlass die Bubble
Ich selbst nutze Instagram trotzdem gerne. Ich habe einige tolle Menschen über diesen Kanal kennengelernt – diese Treffen und Gespräche haben mich sicher weitergebracht und inspiriert. So kann man Instagram dann vielleicht doch nutzen um den eigenen Horizont zu erweitern. Auch wenn ich aktiv auf die Suche gehe: neue Hashtags durchwühle oder Fotografen auf IG folge die ich auf anderem Wege entdeckt habe, finde ich immer wieder neue und auch zahlreiche einzigartige Bilder. Instagram ist sicherlich die größte Fotobibliothek der Welt. Trotzdem mache ich mir immer wieder auch bewusst, dass es eben noch andere Wege gibt. Gute Bücher, Websites und eben auch reale Treffen sind mehr Wert als all meine Likes.
Kennst du außergewöhnliche Instagram-Profile denen man unbedingt folgen sollte um die eigene Bubble aufzubrechen? Schreib gerne die Accounts hier in die Kommentare.